100 Jahre Sportverein Niedernhausen
Eine Vereinschronik skizziert von Harald Schmidt
Die ersten Anfänge unseres Vereins, gleichsam die Vorgeschichte, reichen zurück in das Jahr 1912. Im Spätsommer dieses Jahres verließen nämlich etwa 20 junge Sportler die Turngemeinde von 1896; Ursache war nach Überlieferungen, dass sich diese Mitglieder in ihrem alten Verein nicht mehr recht verstanden und vor allem auch in ihrer Privatsphäre in unzumutbarer Weise bevormundet fühlten.
Anfang des Jahres 1913 wurde im Gasthaus „zum Goldenen Lamm“ bei Walter Hofmann die „Turngesellschaft Niedernhausen“ aus der Taufe gehoben. Bei dieser konstituierenden Sitzung wurde der erste Vorstand in der Vereinsgeschichte mit dem 1. Vorsitzenden Adolf Schäfer Senior gewählt.
Mitte der 20-er Jahre erlagen die Mitglieder der Turngesellschaft voll und ganz der „Faszination Fußball“; die „Turnerei“ wurde mehr und mehr aufgegeben und die Mitglieder jagten nur noch dem runden Leder nach – wo immer im Gemeindegebiet Platz dafür war.
Ab 1927 etwa wurden die ersten Bälle getreten, „wild“ und unorganisiert natürlich. Schauplatz dieser Begegnungen, mit ebenso unorganisierten Mannschaften aus Nachbardörfern, war zunächst der viel zu kleine Turnplatz oberhalb des „Felsenkellers“, später auch die „Kennelwiese“, die „Farnwiese“ und das Gelände hinter dem „Bogen“ (Eisenbahnviadukt in der Platter Straße).
Hervorgetan als Aktive haben sich in dieser Zeit bei den Vereinsaktivitäten vor allem Heinrich Boullion, Franz Canini und besonders Wilhelm Horne.
Im Jahre 1928 wurde dann am Hahnwald, auf einer von der Gemeinde bereitgestellten Waldparzelle, ein Sportplatz gebaut, der im Jahre 1932 eingeweiht wurde.
Als Sportkleidung wählte man den grünen Dress mit weißen Hosen aus, nachdem die Spiele in der „Vorzeit“ in schwarzer Kluft mit rotem Kragen und Manschetten bestritten worden waren. Die Wahl auf „Grün/Weiß“ soll nach einer Faschingsveranstaltung in den Jahren 1931 oder 1932 gefallen sein, nachdem die Spielerfrauen und Bräute auf einem Maskenball im Gasthaus „Zum Taunus“ mit dieser – im wahrsten Sinnes des Wortes damals – närrischen Verkleidung großes Aufsehen erregt hatten. Zwei Namen stehen für diese bedeutsame Phase der Vereinsgeschichte federführend an der Spitze: neben dem unvergessenen Wilhelm Horne war es Fritz Götz, der als Beitragskassierer in jenen unvorstellbar schweren Jahren der Weltwirtschaftskrise für die materielle Basis des Vereins Verantwortung trug. Bescheiden waren die sportlichen Erfolge bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, der zwangsläufig alle Vereinsaktivitäten zum Erliegen kommen ließ.
Geradezu unvorstellbar war jedoch die Begeisterung und das Engagement, mit denen man noch im Spätjahr 1945 daran ging, das Vereinsschiff wieder flott zu machen. Wieder nahm Wilhelm Horne das Heft in die Hand, gefolgt von Bauunternehmer Jean, Wilhelm und Franz Aubrecht, den wir heute „Entertainer“ nennen würden, sowie Ludwig Sand, einem mit allen Fußballwassern gewaschenen Fuchs aus glanzvollen Vorkriegs-Gauliga-Zeiten im Großraum Frankfurt. In dieser Zeit wurde mit bescheidensten Mitteln das Vereinsleben groß geschrieben. Dass man in diesen Jahren der bittersten materiellen Not den Aktiven in gesellschaftlicher Hinsicht noch etwas zu bieten hatte, beweisen der mit einer 40-köpfigen Reisegesellschaft nach Lenggries/Obb. durchgeführte und in die Vereinsgeschichte eingegangene Vereinsausflug, mit dem Gegenbesuch unserer oberbayrischen Freunde, sowie die Fassenachtsveranstaltungen 1947 mit dem legendären Spiel „Schwarz“ gegen „Weiß“ vor vielen hundert Zuschauern am Hahnwald und anschließendem Umzug, an dem die gesamte Dorfgemeinschaft Anteil nahm.
Aus der eigenen Jugend rückten junge, talentierte Spieler nach mit Heinrich Mundorff, Rainer Rothenberger, Frieder Rothenberger, Dieter Schirrmacher, Dieter Hirschmann und den Gebrüdern Wüst nach und erstmals wurde eine Meisterschaft im Jahre 1953 durch die A/B-Jugend gewonnen.
Aus der personellen Not heraus, als Wilhelm Horne aus gesundheitlichen Gründen 1960 das Amt des 1. Vorsitzenden niederlegte, wurde ein vierköpfiges Direktorium (Schönborn, Schlitt, Polzer, Umstätter) mit der Vereinsführung betraut. Dies war jedoch nur eine Übergangslösung, bis dann Rudi Krissel 1961 das Vereinsschiff übernahm.
Nur der sportliche Aufstieg aus der B-Liga wollte einfach nicht gelingen. Der bahnte sich erstmals 1962/63 im 50. Jubiläumsjahr an unter der sportlichen Führung von Rudi Krissel und bei nahezu 200 erzielten Treffern und einer wahren „Galatruppe“; doch der Aufstieg in die A-Klasse wurde denkbar knapp verpasst. Klangvolle Namen aus der 1. Mannschaft waren neben den vorstehend genannten Nachwuchsspielern Günter Tusl, Willi und Günther Struppe, Erich Kwieczinski, Anton Affelder, Karl-Dieter Hofmann, Rainer Franke, Willi Mundorff, um nur einige zu nennen.
Das heiß ersehnte Ziel „Aufstieg“ wurde erst in der Spielzeit 1969/70 erreicht, als der Verein unter Trainer Günter Mohr und dem Vorsitzenden Frieder Rothenberger endlich das Prädikat „ältester B-Klassenverein Hessens“ ablegen konnte. Es folgten bewegte Jahre des Auf- und Niedergangs mit der absoluten Krönung des Aufstiegs zur Bezirksliga Wiesbaden mit Coach Walter Zeitler in der Spielzeit 1973/74.
1976 verließ der SV Niedernhausen mit viel Wehmut den Sportplatz Hahnwald mit seinem einmaligen Flair und der überwältigen Heimspielatmosphäre und zog auf die neue Sportanlage im Autal um. Nach zwei Jahren folgte dann 1977 der Abstieg in die A-Liga Main-Taunus und von 1978 bis 1982 spielte die 1. Mannschaft in der B-Liga Wiesbaden-Ost. Die nächste Meisterschaft konnte in der Saison 1981/82 mit dem Aufstieg in die A.Liga Main-Taunus/Wiesbaden gefeiert werden. 1986 folgte erneut der Abstieg in die B-Liga Wiesbaden-Ost und nach dem erneuten Aufstieg in die A-Liga ab der Saison 1991/92 der Aufstieg in die Bezirksliga Wiesbaden.
Nach vielen Jahren der Planung wurde der Sportplatz im Autal im Jahre 1999 von einem Hartplatz in einen quarzsandverfüllten Kunstrasenplatz erneuert.
Ab der Jahrtausendwende ging es im Verein steil nach oben und in der Saison 2005/06 stieg die 1. Mannschaft in die Bezirksoberliga, heute Gruppenliga, Wiesbaden auf. In den folgenden Spielzeiten bis zur Saison 2012/13 belegte der SV Niedernhausen am Saisonende immer einen Platz unter den ersten fünf Teams der Gruppenliga.
Der SV Niedernhausen II stieg nach der Einführung der Reserven in Konkurrenz nach der Saison 2006/07 in die Kreisliga B auf. Vier Jahre später, nach der Spielzeit 2010/11 gelang der Aufstieg in die Kreisliga A. Im Folgejahr, nach der Saison 2011/12 wurde die Mannschaft erneut Meister und spielt nun im Jubiläumsjahr 2012/13 in der Kreisoberliga.
In der Jugendabteilung stieg die Zahl der am Punktspielbetrieb teilnehmenden Mannschaften des SV Niedernhausen stetig an. Im Jubiläumsjahr nehmen 15 Mannschaften am Jugendspielbetrieb teil. Von dieser höchst erfreulichen Entwicklung konnten besonders die beiden Seniorenmannschaften profitieren, denn der überwiegende Teil der derzeitigen Seniorenspieler hat schon in den Jugendmannschaften des Vereins gespielt.
Allen Mitgliedern und Freunden des SV Niedernhausen, die Form im zurückliegenden Jahrhundert durch ihre Mitarbeit und Unterstützung der Vereinsaktivitäten ihren persönlichen Beitrag geleistet haben, sei an dieser Stelle besonders gedankt. Zu den anstehenden Festtagen besteht nach einem lebendigen und bewegten Jahrhundert unserer Grün/Weißen Vereinsfamilie genügend Grund den „100. Geburtstag“ würdig zu feiern.